Anno 1602 war eines der ersten Computerspiele, die ich in meinem Leben gespielt habe. Auch wenn ich damals viel zu jung für ein komplexes Aufbaustrategiespiel war, haben mir die Atmosphäre und der Städtebau damals schon sehr gefallen. Selbst heute installiere ich noch gerne meine GOG-Version von 1602 und spiele eine gemütliche Runde Anno, während ich mich von dem genialen Soundtrack berieseln lasse. Dementsprechend war ich froh zu hören, dass Ubisoft und Blue Byte mit dem neuen Anno 1800 zu den Wurzeln der Anno-Serie zurückkehren wollen, mit 20 Jahren Anno-Entwicklung im Hinterkopf. Auf der Gamescom konnte ich mir selbst ein Bild davon machen, wie viel vom klassischen Anno-Gameplay in Anno 1800 steckt.
Selbst wer vor mehr als einem Jahrzehnt aufgehört hat, Anno-Titel zu spielen, findet sich in der Gamescom-Demo sofort zurecht: Wir haben einen kleinen Hafen mitsamt Schiff, ein paar Wohnhäuser, Holzfäller und eine Fischerhütte. Über die Straßeninfrastruktur werden, anders als in den futuristischen Ablegern, sämtliche Waren von den Bewohnern zu ihrem Zielort gebracht, bevor sie dort verwendet werden können. Logistik und vorausschauende Stadtplanung sind also erneut unverzichtbar, wenn man seine Siedlung nicht schon in den ersten 20 Minuten im Chaos versinken lassen will.
Um neue Gebäude freizuschalten, müssen wir unsere Bevölkerung erhöhen und deren ständig wachsende Bedürfnisse befriedigen. Wir starten mit Bauern und dem Zugriff auf grundlegende Produktionsketten wie Holz, Fisch und Kartoffeln. Mit zunehmender Bevölkerung können wir schließlich auch Schafe züchten und im großen Stil Arbeitskleidung anfertigen, was uns Zugriff auf die Arbeiterklasse verschafft. In Anno 1800 ist die Arbeitskraft erstmals in Bevölkerungsschichten unterteilt – anders als in bisherigen Anno-Titeln können wir daher nicht einfach alle Bauern zu Arbeitern aufwerten, denn ohne Bauern haben unsere bisher errichteten Landwirtschaftsbetriebe keine Arbeitskraft mehr. Eine erfolgreiche Siedlung benötigt also alle Bevölkerungsgruppen, wenn sie nicht von Importen abhängig sein will. Das wiederum wirkt sich auf die Stadtplanung aus, denn diese Gruppen haben unterschiedliche Bedürfnisse und sollten daher sinnvollerweise auch in eigenen Stadtbezirken untergebracht werden.
Aber auch planlose Spieler (z. B. mich im ersten Demo-Durchlauf) lässt Anno 1800 nicht im Stich: Das moderne und gut leserliche Interface verrät dem Spieler immer genau, woran es gerade mangelt oder warum ein Gebäude nicht ausreichend produziert. Auch mit mehreren Bevölkerungsgruppen ist es noch einfach, durch die zahlreichen Baumöglichkeiten zu navigieren. Besonders häufig benötigte Strukturen wie etwa Wohnhäuser und Straßen lassen sich zudem auf eine Schnellzugriffsleiste legen, damit sie immer sofort abrufbar sind.
Das Interface ist trotz der Fülle an Informationen nie im Weg, wenn man einen Blick auf seine Siedlung werfen will. Bei minimalem Zoom hat man einen guten Überblick über seine Insel und kann effektiv neue Produktionsgebiete abstecken oder Straßenzüge planen. Möchte man jedoch einfach den wuseligen Betrieb der eigenen Stadt auf sich wirken lassen, kann man die Kamera ganz nah heranholen und seinen Siedlern bei ihrem Tagesablauf zusehen. Die Grafik ist bei dieser Zoomstufe wunderbar detailliert und die Animationen und Handlungsabläufe der Bevölkerung sind liebevoll gestaltet und abwechslungsreich.
Wer die Anno-Reihe kennt, der weiß, dass eine halbstündige Demo keinen ausreichenden Einblick in die Qualität und dem Umfang eines Aufbaustrategiespieles geben kann. Über die Wunder der industriellen Revolution, die Kompetenz der Computergegner und neue Mechaniken wie das Einflusssystem erfahre ich also während meines Anspieltermins nicht viel.
Nur eins kann ich mit Zuversicht sagen: Der Siedlungsbau fühlt sich fantastisch an und erinnert sehr an geliebte Klassiker wie Anno 1602 und 1404. Jeder Anno-Veteran wird sich sofort zurechtfinden, und die Neuerungen werden leicht verständlich kommuniziert und gliedern sich sinnvoll ins Spielgeschehen ein. Auf den ersten Blick ist es Ubisoft Blue Byte also durchaus gelungen, einen würdigen Anno-Nachfolger mit vielen klassischen Elementen zu erschaffen – nicht zuletzt dank des umfangreichen Fan-Inputs aus der Anno Union.