Die Ankündigung eines neuen Siedler-Titels auf der Gamescom kam überraschend. Seit nunmehr 25 Jahren wuseln die Siedler über Computerbildschirme, und bei der neuesten Iteration ist Ubisoft so zuversichtlich, dass sie das Spiel kurzum “Die Siedler” getauft haben. Ubisoft Blue Byte gab uns einen kleinen Einblick in das kommende Aufbaustrategiespiel, welches im Herbst 2019 erscheinen soll.
Die zentrale Design-Philosophie hinter dem neuen Titel scheint zu sein, das alte Siedler-Gerüst zugänglicher und moderner zu gestalten. Dabei bleiben viele zentrale Spielelemente aus den alten Titeln erhalten: Gebäude werden auf einem Punkte-Raster platziert und dann von Arbeitern errichtet. Dazu tragen zunächst die Träger die benötigten Rohstoffe zur Baustelle, wo dieses dann von Baumeistern konstruiert wird. Schaufelträger wie in älteren Siedler-Titeln fehlen (zum Glück) komplett.
In der üblichen What-you-see-is-what-you-get-Manier wird jede Einheit eines produzierten Rohstoffes als Objekt in der Spielwelt simuliert und muss von Ort zu Ort transportiert werden, damit sie genutzt werden kann. Dabei helfen Straßen, die die Bewegungsgeschwindigkeit der Träger erhöhen, sowie Sammelstellen. Im späteren Verlauf können auch Eselkarren verwendet werden, um deutlich mehr Ressourcen zu transportieren. Produktionsgebäude wie der Holzfäller lassen sich zudem aufwerten, um mehr Arbeiter zu beherbergen und neue Rohstoffe wie Hartholz zu produzieren. So lassen sich in gewohnter Siedler-Manier auch komplexe Produktionsketten, wie z.B. für Brot oder Werkzeuge, erbauen.
Es gibt jedoch eine Besonderheit bei der Produktion: Das dort arbeitende Personal hat begrenzte Ausdauer, wodurch deren Arbeitsfähigkeit zeitlich eingeschränkt wird. Hier hilft die dritte Bevölkerungsgruppe, die Bewohner, aus. Bewohner sammeln Zutaten aus der Lebensmittelproduktion und verwenden diese in Wohnhäusern, um Mahlzeiten zu produzieren. Diese werden dann an die Arbeiter ausgeliefert, um sie bei der Stange zu halten. Inaktive Träger können zudem einmalige Aufgaben, sogenannte „Direct Actions”, ausführen, um beispielsweise einen Baum zu fällen oder die Produktivität eines Gebäudes zu stärken.
Die letzte Bevölkerungsgruppe ist das Militär, welches anteilhaft die meisten Veränderungen erhalten hat. Anders als in bisherigen Siedler-Spielen, werden die Kämpfer nicht mehr einzeln befehligt, sondern formieren sich zu einer Armee samt Anführer. Es gibt verschiedene Anführertypen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, und über diese Anführer wird die gesamte Armee kontrolliert. Somit wird das Micromanagement in Kämpfen drastisch reduziert und beschränkt sich hauptsächlich auf das Einsetzen von Anführerfertigkeiten im richtigen Moment.
Die Armee ist außerdem für die Erweiterung des Baugebietes zuständig, was ähnlich wie in alten Siedler-Titeln über das Errichten von Türmen passiert. In Die Siedler kann man selbst bestimmen, in welche Richtung man sich gezielt ausbauen möchte, indem man einen entsprechenden Fokuspunkt im neu erbauten Turm festlegt. Soldaten erweitern dann selbstständig das Gebiet und besetzen entsprechende Verteidigungsanlagen.
Wer nicht auf militärische Ausschweifungen aus ist, kann auch auf anderem Wege feindliches Gebiet übernehmen: Über den „Ehre”-Pfad kann man eine andere Nation zu einem Heldenduell in der Arena herausfordern. Besiegt der eigene Champion seinen Widersacher, so gewinnt man die Herzen der feindlichen Bewohner und löst so eine Revolte in ihren Reihen aus. Wenn der Feind diese nicht unterbindet, werden sie ihn absetzen und einen neuen Herrscher ernennen. So lassen sich ganze Landstriche ohne viel Blutvergießen übernehmen, sofern man einen kompetenten Helden in die Arena schickt.
In Die Siedler geht es aber nicht nur um Rohstoffe und Krieg. Der Wuselfaktor, für den die Reihe bekannt ist, bleibt auch in diesem Titel erhalten. Die Bewohner haben zwar realistischere Modelle als in den Vorgängerspielen, aber durch drollige und humorvolle Animationen und emotionale Reaktionen, ist der alltägliche Betrieb der Siedler trotzdem sehr nett anzusehen. Blue Byte macht uns darauf aufmerksam, dass unsere mittelalterliche Zivilisation nicht in jeder Hinsicht in der Vergangenheit lebt: Bei den Siedlern herrscht geschlechtliche Gleichberechtigung, und jeder Job vom Fischer bis hin zum Soldaten kann von Mann und Frau gleichermaßen ausgeführt werden.
Die Siedler hat viel Potential, ein würdiger Nachfolger für die beliebte Aufbaustrategiereihe zu werden. Der Städtebau wirkt durchdacht und ausgereift und lädt dazu ein, sowohl schöne als auch effiziente Siedlungen zu errichten und auszubauen. Die Grafik ist hübsch, das Interface ist funktional und sauber und die Atmosphäre ist einladend. Die Kämpfe hingegen wirken noch ein wenig unausgereift und bieten derzeit wenig Raum für strategische Manöver. Außerdem hält sich Ubisoft aufgrund des derzeitigen Entwicklungsstadiums leider sehr bedeckt, wenn es um Fragen zum Content geht. Ob es beispielsweise wie in Siedler III andere spielbare Kulturen gibt, lässt der Entwickler offen. Um diese Fragen zu klären und Schwachstellen auszubügeln, hat Ubisoft Blue Byte glücklicherweise noch ein ganzes Jahr Zeit. Wir drücken die Daumen.