Der Shooter-Markt ist hart umkämpft: Zwischen den großen Franchises wie Battlefield und Call of Duty und den heißesten Battle-Royale-Titeln ist kaum Platz für kleinere Spiele. Insurgency, ein Indie-Shooter aus der Feder von New World Interactive, hat sich jedoch über Jahre hinweg wacker gehalten. Wir haben den im September erscheinenden Nachfolger Insurgency: Sandstorm auf der Gamescom angespielt und uns angeschaut, was dieser zu bieten hat.
In der Sandstorm-Demo werden wir direkt ohne Stützräder ins Getümmel geworfen: Alle Teilnehmer treten dem selben Server bei und werden in ein kompetitives 4v4-Match gesteckt. Was im Gegensatz zum Vorgänger sofort auffällt, ist die Charakter-Erstellung. Hier können wir unseren eigenen Avatar festlegen, indem wir ein Gesicht aus mehreren Presets auswählen und dann die Kleidung frei wählen. Inzwischen nicht mehr so ungewöhnlich, aber dennoch erwähnenswert: Auch weibliche Charaktere sind spielbar. Wer denkt, dass dies nicht zu dem realistischen Setting von Sandstorm passt, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht: Der Taktik-Shooter spielt im Mittleren Osten, wo Frauen vor allem in kurdischen Milizen zahlreich vertreten sind. Mal abgesehen davon, dass man in einem fiktionalen Computerspiel keine historische Rechtfertigung braucht, um weibliche Charaktere zu integrieren – aber das ist ein ganz anderes Thema.
Auch bei der Wahl der Klasse haben wir eine große Auswahl, sobald wir dem Server beitreten: Scharfschützen, Maschinengewehrschützen, Breacher, Squad Leader und viele weitere Klassen bieten jeweils unterschiedliche Funktionen und Ausrüstung. Diese Ausrüstung lässt sich ebenfalls (im Rahmen der ausgewählten Klasse) frei gestalten. Waffen, Aufsätze, Rüstung, Granaten, zusätzliche Munition und Gadgets wie Gasmasken und Ferngläser sorgen dafür, dass für jeden Geschmack ein passendes Kit existiert. Limitiert ist die Ausrüstung durch ein Punktesystem - man muss also abwägen, ob man mehr in zusätzliches Equipment investiert, oder lieber seine Primärwaffe mit vielen Aufsätzen aufmotzt. Der Squad-Anführer kann zudem auch noch Support-Fähigkeiten über das Radio anfordern. Dazu gehören beispielsweise Artillerieschläge, Bombendrohnen und ein Angriffsflug des gefürchteten A-10 Angriffsflugzeugs.
In der Demo spielen wir einen 4v4-Modus, in dem ein Team Kontrollpunkte verteidigen muss, während das andere diese der Reihe nach angreift. Die Karte sieht dank Upgrade auf die Unreal-4-Engine deutlich beeindruckender und detailreicher aus, als die des Vorgängers auf der Source-Engine. Wir haben außerdem einige neue Fortbewegungsmöglichkeiten: Türen können aufgestoßen und verschlossen werden, und Spieler können nun endlich auch über hüfthohe Hindernisse springen. Der einzige Störfaktor: Die gesperrten Zonen, die vor Spawnkilling schützen sollen, haben es erneut ins Spiel geschafft. Diese sind auf der Karte nur unzureichend markiert und hindern Spieler daran, ihre Waffen zu benutzen, solange sie sich dort aufhalten. Hier hatten wir gehofft, dass New World Interactive eine elegantere Lösung findet.
Nach einer kurzen Umgewöhnungszeit aufgrund der Tastaturbelegung vor Ort fühlt sich Sandstorm wieder sehr nach dem klassischen Insurgency-Gameplay an. Waffen sind extrem tödlich, weshalb meist derjenige einen Kampf gewinnt, der zuerst schießt. Aufmerksamkeit und das geschickte Nutzen von Deckung sind also erneut von großer Bedeutung. Dennoch lohnt es sich nicht, ein Zelt aufzuschlagen und abzuwarten, bis etwas vor die Flinte läuft, denn das aufgabenbasierte Gameplay fordert Mobilität und taktisches Vorgehen, um die Punkte einzunehmen. Die guten Positionen sind vom Spawn beider Teams ungefähr gleich weit entfernt, weshalb einseitiges Campen nur direkt auf dem Kontrollpunkt wirklich eine Option ist. Hier gewinnt, wer sich als erstes in eine vorteilhafte Position bewegt und diese durch den Einsatz von viel Deckung, Rauchgranaten und gewagten Flankierungsmanövern lebendig erreicht.
Das Teamplay funktioniert in der Demo selbst mit drei fremden Anfängern im Team. Voice-Kommunikation, ein vielseitiges Sprachnachrichten-Menü und eine gut leserliche Ingame-Karte ermöglichen es, Angriffe zu koordinieren und sich auf gute Verteidigungspositionen aufzuteilen. Das Interface ist dabei stets so informativ, wie es sein muss, aber drängt sich niemals störend in den Vordergrund. Auch die Freund-Feind-Identifikation klappt erstaunlich gut, denn während der gesamten Demo gab es nur einen einzigen Teamkill, der durch das unvorsichtige Verwenden von Sprengstoff bedingt war. Die Grundlage für ausgeglichene und taktische PvP-Matches ist also durchaus gegeben, und ein von Haus aus eingebauter kompetitiver Modus könnte zum Hit werden, wenn NWI seine Karten richtig ausspielt.
Das Gameplay hat überzeugt, die Grafik ist ein großes Update – ein paar Sorgen bleiben jedoch: Die Performance der Demo war an einigen Stellen holprig. Wenn ein so schnelles und kompetitives Spiel nicht auf stabilen 60+ Frames läuft, ist das Grund zur Besorgnis. Da es sich um ein Demo-Build handelt, besteht jedoch Grund zur Annahme, dass das fertige Spiel noch optimiert wird. Zu guter Letzt bleibt noch die Frage nach dem Spielumfang offen. Nachdem die ambitionierte Singleplayer-Kampagne aus der Entwicklungsroadmap gestrichen wurde, bleiben im Spiel nur PvP- und Coop-Matches. Hier muss Insurgency eine ansehnliche Anzahl an gut gestalteten Karten bieten, um Spieler bei der Stange zu halten. Auch die Waffenauswahl fällt etwas kleiner aus als im ersten Insurgency – dafür gibt es jedoch deutlich mehr Ausrüstung und Aufsätze. NWI ist zudem dafür bekannt, Titel auch lange nach dem Launch noch mit Content- und Balance-Patches aufzupolieren. Alles in allem also viel Potential, den Shooter-Markt ein wenig aufzurütteln.